Frigga Haug/Wolfgang Fritz Haug/Peter Jehle: Neugründung Europas als passive Revolution? (Paperback)

Das Argument, 55. Jahrgang, Heft 1/2, 2013
ISBN/EAN: 9783886196777
Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S.
Einband: Paperback
Erschienen am 22.05.2013
Auflage: 1/2013
€ 24,00
(inklusive MwSt.)
Lieferbar innerhalb 10 - 21 Tagen
 
  • Zusatztext
    • Ungeachtet der krisenreproduzierenden Herrschaft in Europa und trotz der
      Widersprüche, die diese Herrschaft immer wieder neu hervorbringt, wird durch die ›Hintertür‹ ein faktischer Neugründungsprozess der europäischen Integration
      eingeleitet. Zunächst deutet alles darauf hin, dass er den progressiven, solidarisch
      und demokratisch ausgerichteten »Neugründungs«-Aufrufen Europas diametral
      entgegengesetzt ist: Die (fi nanz-)marktdisziplinären Elemente des europäischen
      Wirtschaftsregierens sind weiter gestärkt und durch die prominente Rolle der europäischen Exekutivapparate, des Europäischen Rats, der Kommission und auch der
      EZB, ist der technokratisch-autoritäre Charakter der politischen Verhandlungen und Entscheidungen gefestigt worden. Vor allem aber vollzog sich der Neugründungsprozess als ein ›von oben‹ initiierter Vorgang, ohne breite gesellschaftliche Diskussionen und ohne Beteiligung, zum Teil sogar gegen den massiven Widerstand der Volksmassen.
      Diese diskrete Neugründung der Europäischen Union lässt sich – wiederum in
      Anlehnung an Gramsci – als passive Revolution begreifen. Gramsci bezeichnet mit diesem Begriff gesellschaftliche Restrukturierungsprozesse, in denen die Herrschenden
      auf »organische« oder »Hegemoniekrisen« in einer Weise antworten, die durch Transformation im Rahmen ›ihres‹ Herrschaftssystems ihre Macht erhalten soll. Ob der ehemalige Maoist und heutige Präsident der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, an Gramsci gedacht hat, als er die Reformaktivitäten der EU als »stille Revolution« bezeichnete, sei dahingestellt. Im Kern zielen aber auch seine Überlegungen, wie die des europäischen Establishments insgesamt, auf inkrementelle Veränderungen im »Überbau«, d.h. in den nationalen und europäischen Staatsapparaten und den auf diese bezogenen Arenen zivilgesellschaftlicher
      Kommunikation, ohne die Bedingungen der materiellen – finanzmarktdominierten
      – Reproduktion zu hinterfragen.
      Der sich faktisch vollziehende autoritäre und marktdisziplinäre Neugründungsprozess
      generiert aber auch neue Widersprüche oder heizt ältere Konflikte zusätzlich an. Deuten diese Widersprüche und Konflikte Chancen für eine progressive Politisierung
      der EU an? Bieten die durch den Finanzmarktkapitalismus und das europäische
      Krisenmanagement genährten gesellschaftspolitischen Verteilungs- und Gestaltungskonflikte, die voranschreitende Delegitimierung der europäischen Institutionen und politischen Entscheidungsprozesse, der Aufschwung nationalistischer und rechtspopulistischer Kräfte in vielen Gesellschaften, die zunehmenden Spannungen zwischen den europäischen Kernstaaten und der besonders krisengeschüttelten Peripherie oder auch die intensivierten Konflikte innerhalb des Zentrums, etwa zwischen den großen Kernstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien den Nährboden, auf dem sich ein alternatives Projekt für Europa formieren kann?

Ungeachtet der krisenreproduzierenden Herrschaft in Europa und trotz der
Widersprüche, die diese Herrschaft immer wieder neu hervorbringt, wird durch die ›Hintertür‹ ein faktischer Neugründungsprozess der europäischen Integration
eingeleitet. Zunächst deutet alles darauf hin, dass er den progressiven, solidarisch
und demokratisch ausgerichteten »Neugründungs«-Aufrufen Europas diametral
entgegengesetzt ist: Die (fi nanz-)marktdisziplinären Elemente des europäischen
Wirtschaftsregierens sind weiter gestärkt und durch die prominente Rolle der europäischen Exekutivapparate, des Europäischen Rats, der Kommission und auch der
EZB, ist der technokratisch-autoritäre Charakter der politischen Verhandlungen und Entscheidungen gefestigt worden. Vor allem aber vollzog sich der Neugründungsprozess als ein ›von oben‹ initiierter Vorgang, ohne breite gesellschaftliche Diskussionen und ohne Beteiligung, zum Teil sogar gegen den massiven Widerstand der Volksmassen.
Diese diskrete Neugründung der Europäischen Union lässt sich – wiederum in
Anlehnung an Gramsci – als passive Revolution begreifen. Gramsci bezeichnet mit diesem Begriff gesellschaftliche Restrukturierungsprozesse, in denen die Herrschenden
auf »organische« oder »Hegemoniekrisen« in einer Weise antworten, die durch Transformation im Rahmen ›ihres‹ Herrschaftssystems ihre Macht erhalten soll. Ob der ehemalige Maoist und heutige Präsident der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, an Gramsci gedacht hat, als er die Reformaktivitäten der EU als »stille Revolution« bezeichnete, sei dahingestellt. Im Kern zielen aber auch seine Überlegungen, wie die des europäischen Establishments insgesamt, auf inkrementelle Veränderungen im »Überbau«, d.h. in den nationalen und europäischen Staatsapparaten und den auf diese bezogenen Arenen zivilgesellschaftlicher
Kommunikation, ohne die Bedingungen der materiellen – finanzmarktdominierten
– Reproduktion zu hinterfragen.
Der sich faktisch vollziehende autoritäre und marktdisziplinäre Neugründungsprozess
generiert aber auch neue Widersprüche oder heizt ältere Konflikte zusätzlich an. Deuten diese Widersprüche und Konflikte Chancen für eine progressive Politisierung
der EU an? Bieten die durch den Finanzmarktkapitalismus und das europäische
Krisenmanagement genährten gesellschaftspolitischen Verteilungs- und Gestaltungskonflikte, die voranschreitende Delegitimierung der europäischen Institutionen und politischen Entscheidungsprozesse, der Aufschwung nationalistischer und rechtspopulistischer Kräfte in vielen Gesellschaften, die zunehmenden Spannungen zwischen den europäischen Kernstaaten und der besonders krisengeschüttelten Peripherie oder auch die intensivierten Konflikte innerhalb des Zentrums, etwa zwischen den großen Kernstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien den Nährboden, auf dem sich ein alternatives Projekt für Europa formieren kann?

Links

QR-Code

Banner(300 * 250)

Banner(468 * 60)

Banner(728 * 90)

Öffnungszeiten

Mo.-Sa. 9:00-20:00Uhr

Adresse

Buchhandlung Graff GmbH

Sack 15, 38100 Braunschweig

Tel.: 0531 / 480 89 - 0

Fax.: 0531 / 480 89 - 89

Kontakt: infos@graff.de

Dabeisein

Newsletter

Veranstaltungen, Buchempfehlungen, Aktionen

Zahlungsarten

Bar | Rechnung |

Array